Vergeben – was bedeutet das eigentlich?

Veröffentlicht von Heike Rieck am

Den Eltern oder anderen vergeben, geht das überhaupt?

Worum geht es uns dabei in Wirklichkeit?

…und wie können wir den Fluss der Liebe in uns wirklich befreien?

Das Bedürfnis, etwas vergeben zu wollen, entsteht ja meistens aus einer inneren Not, Schmerz oder Unfrieden heraus, etwas kommt nicht zur Ruhe in uns. Wir befinden uns in einem bewussten oder unbewussten Vorwurf, das etwas anders war, als wir es uns vorgestellt haben, wir schmerzhafte Erfahrungen gemacht haben anstelle von liebevollen und geborgenen, usw.

Aber was IST vergeben?

Im Grunde vom Wortsinn und der darin enthaltenen Tätigkeit geht es um das ver-geben, ab-geben,.. von etwas, was nicht zu uns gehört, aber was bei uns gelandet ist und uns beschäftigt. Im Familienstellen geben wir deshalb etwas zurück, was woanders hingehört, und können so wieder Klarheit und Frieden in unsere Beziehungen bringen. Vergeben, wie es allerdings meistens verstanden wird, ist eine trickreiche Angelegenheit! So bringt es uns doch in eine Position, aus der wir beurteilen, wie es besser oder gar richtig gewesen wäre, wir stehen quasi über den Dingen…

Und da ist der verborgene Knackpunkt:

WIR hadern ja mit der Vergangenheit, WIR halten an den alten Geschichten fest und wollen sie anders haben. Und wir haben nun die Idee, diese Fehler verzeihen zu können oder zu müssen, damit wir zur Ruhe kommen. Das ist aber ein Trugschluss, denn solange wir sowohl an der Hilflosigkeit des Klein-Seins festhalten, und uns gleichzeitig an dieser Stelle über unsere Eltern erheben, befinden wir uns in einem Spannungsfeld, das wir auf diese Weise nur verstärken. Dabei wollten und wollen wir eigentlich nur geliebt, gesehen und angenommen werden.

Und das funktioniert so nicht… das führt zu noch mehr Spannung und Druck im System, weil es so eben keine wirkliche Lösung bringen kann. Der Schlüssel liegt in uns selber! Im Erkennen, dass wir mit der Idee, da etwas „Vergeben/Verzeihen“ zu können, im Spannungsfeld des gleichzeitig „Hilflos und Übermächtig – Seins“ gefangen sind.

Die schmerzhafte und klärende Erkenntnis ist, daß es so war, wie es war. JETZT haben wir die Möglichkeit, das, was uns verletzt hat, in UNSEREM Leben zu verändern. Indem wir den damit zusammenhängenden Schmerz annehmen und aufhören, es weiterzutragen in die Welt. Indem wir aus der Postion des BesserWissens hinabsteigen und uns aus der kindlichen Hilflosigkeit selber abholen. Indem wir unseren Schmerz fühlen und darin erleben, dass wir jetzt stark genug sind, bei uns zu sein und uns selber anzunehmen. So kommen wir in unserer eigenen Lebensmitte an! Hier entsteht der Frieden, nach dem wir im Außen gesucht haben…

Nun können wir das Geschenk des Lebens ganz von unseren Eltern annehmen, und alles, was nicht zu uns gehört, in die Verantwortung unserer Eltern zurückgeben. Nun können wir ganz die Verantwortung für unser eigenes Leben annehmen, um das Beste daraus zu machen – und den Fluss der Liebe im Mitgefühl mit unseren Schwächen und denen unserer Mitmenschen wieder fliessen zu lassen. Unsere Eltern haben das Beste gegeben, was in ihren damaligen Möglichkeiten stand, und wenn es schlimm war für uns, steckten sie selber auch in ihren Geschichten des unerlösten und weitergereichten Schmerzes fest.

Wir haben jetzt die Gelegenheit, diese alten Geschichten zu beenden.

In Wirklichkeit wollen wir einfach endlich frei sein, anerkannt, geliebt und letztlich unversehrt einfach selber lieben und ein glückliches Leben leben… Es geht uns also weniger um unsere Eltern als meistens um uns selber… Das bedeutet, wir wollen was loswerden, was gar nicht mit unserem ursprünglichen Wesen übereinstimmt… Was uns schon damals, als wir klein waren, verstört hat… Wir können das, woran wir so schwer tragen, zurückgeben. Das ist es, was wir lösen können.

Frieden durch Annahme

Denn was uns in Wahrheit belastet, ist das Gefühl, gefangen zu sein in den Erfahrungen und dem, was uns an Mustern vermittelt wurde. Schauen wir aus einer größeren Perspektive, erkennnen wir, dass auch unsere Eltern und Vorfahren sich innerhalb dieser schmerzhaften Begrenzungen bewegt haben, gewissermaßen Gefangene waren und ihre Liebe und ihr Leben nicht frei fliessen konnte.

Dieses Weiter-Geben der schmerzhaften blockierten Liebe und inneren Gefangenschaft kann dann aufhören, wenn wir uns unserem Schmerz und Mangel stellen, der dadurch in uns entstanden ist. Das gehört uns, ist unser inneres Transformationsfeuer auf dem Weg in ein eigenes Erfülltes, Einzigartiges und Lebendiges Leben.

Lassen wir die Muster und Geschichten, die uns geschmerzt haben bis heute, los und geben sie respektvoll dahin zurück, wo sie hergekommen sind. So können wir wirklich frei und liebevoll werden, und auch in unseren Ahnenlinien kommt im Klären unserer eigenen Geschichte und der Verantwortlichkeiten ebenfalls immer mehr in Frieden.

Heike 12.06.2021